Geschwindigkeitsmessungen mit ProViDa 2000 auf BAB8
Kein standardisiertes Messverfahren mehr?
Die Verkehrspolizeiinspektion Augsburg hat bei vielen Messungen keine Originalverkabelung verwendet
Einen interessanten Fall hatten wir in dieser Woche vor dem Amtsgericht Günzburg zu verhandeln. Bei einer Messung mit einem geeichten ProViDa 2000 auf der Autobahn zwischen Augsburg und Ulm handelte es sich nicht um „standardisiertes Messverfahren“, weil die Verkehrspolizeiinspektion Augsburg für das Gerät nicht die vom Hersteller vorgeschriebenen und verwendeten Kabel verwendet hat.
ProViDa 2000 – was ist das?
Einige Polizeifahrzeuge haben ein Videonachfahrsystem eingebaut. Die Geschwindigkeit eines vorausfahrenden Fahrzeugs wird letztlich dadurch bestimmt, dass ein Polizeifahrzeug einem anderen Fahrzeug über eine Beobachtungsstrecke nachfährt. Bei gleichbleibendem Abstand kann dann selbstverständlich unter Berücksichtigung von Toleranzen die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs dadurch bestimmt werden, dass das Polizeifahrzeug mit gleicher Geschwindigkeit hinterherfährt.
Die Messung mit dem ProViDa 2000 ist in der Regel ein standardisiertes Messverfahren, das bedeutet, dass ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277 = DAR 1998, 110 = NJW 1998, 321 = MDR 1998, 214; OLG Dresden DAR 2005, 226 = NStZ 2004, 352 = NStZ-RR 2005, 117). Nicht erforderlich dagegen ist eine Messung in einem voll automatisierten, menschliche Handhabungsfehler praktisch ausschließenden Verfahren (BGHSt 43, 277 = DAR 1998, 110 = NJW 1998, 321 = MDR 1998, 214).
Ein standardisiertes Messverfahren liegt also vor, wenn das Messgerät entsprechend der Bedienungsanleitung des Herstellers und nach den Vorgaben der PTB (Physikalisch-Technische-Bundesanstalt) verwendet wird.
Bei einem standardisierten Messverfahren muss sich der Tatrichter nur noch dann von der Zuverlässigkeit der Messung überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (BayObLG DAR 1996, 411; OLG Hamm NStZ 1990, 546; OLG Hamm DAR 2000, 129). Im Umkehrschluss: Wenn der Betroffene nicht konkrete Anhaltspunkte für Messfehler oder Abweichungen von den Standards vorbringen kann, wird die Richtigkeit der Messung „vermutet“.
Der konkrete Fall.
Im konkreten Fall des AG Günzburg, Az.: 5 OWi 332 Js 13743/15, wurde deutlich, dass die Polizeibeamten eigene Kabel und nicht die Herstellerkabel zum Anschluss des Messgeräts an das Polizeifahrzeug verwendet haben. Über ein Gutachten wäre nun zu klären gewesen, ob die Messung, obwohl sie keinem standardisierten Verfahren entstammt, dennoch richtig ist. Die Behörden haben also die volle Beweislast dafür, dass die Messung fehlerfrei ist, geringste Zweifel gehen zum Nachteil der Behörden.
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Erstellt von: Rechtsanwalt Marc Sturm, Kanzlei Sturm, Dr. Körner & Partner – Ihre Anwaltskanzlei Aichach