Rechtliche Hinweise zum Autokauf (Teil I)
Ein neues Auto bereitet nicht jedem Käufer Freude. Die wichtigsten Fragen beantworten wir:
Lange Standzeit vor Erstzulassung stellt keinen Mangel dar.
Wer einen Neuwagen kauft, nimmt oftmals den anfänglich höheren Wertverlust hin, um nicht für mögliche Altlasten des Vorbesitzers aufkommen zu müssen. Doch nicht erst seit dem „VW- Skandal“ beschäftigen Mängel an Neuwagen die Rechtsprechung. Der nachfolgende Beitrag soll die wichtigsten rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Neuwagenkauf beleuchten.
Sachmängelhaftung des Händlers.
Nachdem der Käufer das Fahrzeug dem Händler abgenommen hat, kann er wegen eines Sachmangels zwei Jahre lang Ansprüche gegen den Verkäufer aus der gesetzlichen Sachmängelhaftung geltend machen.
Diese Frist darf beim Verbrauchsgüterkauf — also beim Vertrag zwischen einem Händler und einer Privatperson — nicht unterschritten werden. Handelt es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf, so kann die Haftung vertraglich auf ein Jahr verkürzt werden. Hierfür bedarf es jedoch einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien.
Diese Unterscheidung zwischen den beiden Vertragsarten spielt auch bei der Beweislast eine entscheidende Rolle. Da das Fahrzeug für die Geltendmachung der Sachmängelhaftung bereits bei Übergabe des Fahrzeugs mangelhaft gewesen sein muss, hat grundsätzlich der Käufer zu beweisen, dass der Mangel schon bei der Übergabe vorhanden war. Handelt es sich jedoch um einen Verbrauchsgüterkauf, wird für die ersten sechs Monate nach Abnahme des Fahrzeugs vermutet, dass der Mangel schon bei Übergabe vorlag.
Der Mangel als Voraussetzung beim Autokauf.
Grundlegend — und eigentlich selbstverständlich — für die Anwendung der gesetzlichen Sachmangelhaftung ist, dass überhaupt ein Sachmangel vorliegt. Hierbei besteht jedoch nicht selten Uneinigkeit bei rechtlichen Auseinandersetzungen. Grundsätzlich liegt ein Sachmangel immer dann vor, wenn ein Unterschied zwischen der vereinbarten Beschaffenheit und dem Ist-Zustand besteht. Auch geringfügige Schäden an einer neuen Sache rechtfertigen deren Zurückweisung und die Verweigerung der Kaufpreiszahlung durch den Käufer. Sollten dem Verkäufer dadurch Mehrkosten entstehen, hat er diese selbst zu tragen (BGH, Urteil vom 26.10.2016, Az. VIII ZR 211/15).
Besonders intensiv wurde darüber diskutiert, ob Standzeiten vor der Erstzulassung einen Mangel darstellten, wenn diese vertraglich nicht konkret vereinbart wurde. Die Gerichte entschieden in zwei Fällen, dass dem nicht so sei. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm wies die Klage einer Frau ab, die Rückabwicklung ihres Kaufvertrags über einen Mercedes CL 500 verlangte. Ihr stehe kein Anspruch zu, weil der als Neufahrzeug verkaufte Mercedes bei der Übergabe an sie nicht mangelhaft gewesen sei (OLG Hamm, Urteil vom 16.08.2016, Az. 28 U 140/15). Ein im Jahr 2011 produziertes Auto könne vor Ablauf der Jahresfrist im Jahr 2012 noch als Neufahrzeug verkauft werden.
Auch der BGH entschied sich bei einem ähnlichen Sachverhalt dafür, dass in einer Standzeit von über einem Jahr vor der Erstzulassung kein Sachmangel des Fahrzeugs liegt (BGH, Urt. v. 29.06.2016, Az. VIII ZR 191/15).
Das „Recht der zweiten Andienung“ als wichtige Säule.
Im Rahmen der Nacherfüllung kann der Käufer beim Autokauf nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung eines mangelfreien Fahrzeuges verlangen (Nachlieferung). Diese Wahlmöglichkeit unterliegt dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Daher kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
Der Händler kann somit entweder eine Reparatur durchführen oder die schadhaften Teile ersetzen. Dabei hat der Käufer einen Anspruch auf Verwendung von Original-Ersatzteilen und Neuteilen.
Der Verkäufer trägt alle mit der Nachbesserung zusammenhängenden Kosten, wie z.B. Abschleppkosten zur nächstgelegenen Vertragswerkstatt, Reparatur-bedingte Materialien, sowie die Fahrtkosten von und zur Werkstatt zur Durchführung der Reparaturen. Kurzum: Der Käufer eines Neuwagens darf bei Mängeln verlangen, dass das Fahrzeug im Anschluss an die Nachbesserung die Qualität der Fabrikneuheit aufweist (BGH, Urteil vom 06.02.2013, Az. VIII ZR 374/11).
Im Falle einer Nachlieferung braucht ein geschädigter Verbraucher grundsätzlich keine Entschädigung für die Nutzung des mangelhaften Fahrzeugs zu zahlen (LG Regensburg, Urteil vom 04.01.2017, Az.: 7 O 967/16).
Rücktritt und Minderung.
Schlägt die Nacherfüllung fehl, ist die vom Käufer gesetzte Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen oder ist eine Frist entbehrlich, weil der Verkäufer sich verweigert hat, so kann der Käufer entweder Rückgängigmachung des Kaufvertrages verlangen oder den Kaufpreis mindern. Dies gilt auch dann, wenn trotz Bemühens der Mangel nicht behoben wurde. In einem Urteil des OLG Frankfurt am Main wurde ein bekannter Autohersteller dazu verurteilt, einen Neuwagen zurückzunehmen und den Kaufpreis zu erstatten. Der Wagen sei mangelhaft, da sich die Insassen in ihm aufgrund klappernder Geräusche nicht wohlfühlten (OLG Frankfurt, Urteil vom 28.02.2013, Az. 3 U 18/12).
Beim Rücktritt muss der Käufer grundsätzlich den Vorteil ausgleichen, den er durch die Benutzung des Fahrzeuges bis, zu dessen Rückgabe erlangt hat. Der BGH berechnet den Gebrauchsvorteil unter Berücksichtigung des Bruttokaufpreises, der gefahrenen Kilometer und der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges.
Die Minderung hat die gleichen Voraussetzungen wie der Rücktritt. Der Minderbetrag ist im Wege der Schätzung zu ermitteln. Es handelt sich hierbei immer um eine Einzelfallentscheidung. Im Streitfall muss hierfür ein Sachverständiger eingeschaltet werden, der den Minderbetrag festlegt.
Schadensersatz beim Autokauf.
Liefert der Verkäufer ein mangelhaftes Fahrzeug, so kann der Käufer beim Autokauf neben dem Rücktritt auch Schadensersatz geltend machen. Für den Schadenersatz ist jedoch ein Verschulden des Verkäufers nötig. Dieses Verschulden wird gegenwärtig im Rahmen verschiedener gerichtlicher Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem „VW-Abgasskandal“ thematisiert und ist uns deswegen einen eigenen Blogbeitrag (Teil II) wert.
Jedenfalls kann der Käufer beim Autokauf Schadenersatz verlangen, wenn der Verkäufer nicht oder mangelhaft leistet und der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat
Sollten Sie eine Beratung zum Thema Autokauf wünschen, helfen wir Ihnen jederzeit gerne weiter.
Erstellt von: Rechtsanwalt Marc Sturm, Kanzlei Sturm, Dr. Körner & Partner – Ihre Anwaltskanzlei Aichach, in Zusammenarbeit mit cand. iur. Kevin Joder (Uni Konstanz)
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