Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Augsburg, das medial große Beachtung gefunden hat, verteidigte Rechtsanwalt Dr. Marc Sturm von der Anwaltskanzlei Dr. Sturm & Partner einen Gastronomen gegen den Vorwurf wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Der Mandant wurde letztlich freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft Augsburg erhob folgenden Vorwurf:
Bedienungen sollen angewiesen worden sein, einen kleinen Teil des erzielten Tagesumsatzes an die Restaurantleitung abzugeben, und zwar aus ihrem Trinkgeld. Das interne Trinkgeld-System sah – so oder Vorwurf der Staatsanwaltschaft – offenbar vor, dass auf diesem Wege unter anderem das Personal in der Küche an den Trinkgeldern beteiligt werden sollte, das bekanntlich keinen direkten Kontakt zu Kunden der Restaurants hat. Dort soll es aber nicht gelandet sein, oder zumindest nicht immer in den Jahren 2014 bis 2015, der Zeitraum, um den es in dem Gerichtsverfahren grob geht.
Der Vorwurf lautete letztlich auf eine „veruntreuende Unterschlagung“, wobei die Staatsanwaltschaft schon im Laufe es Ermittlungsverfahrens erheblich mit dem konkreten Vorwurf gehadert hat: Im Raum stand nämlich auch eine Steuerhinterziehung: Denn sobald der Unternehmer das an sich steuerfreie Trinkgeld vereinnahmt, wird die Zuwendung umsatzsteuerpflichtig. Gibt der Unternehmer dieses Geld nach der Vereinnahmung – entsprechend dem Vorwurf – dann an das Küchenpersonal weiter, ist die Zuwendung kein steuerfreies Trinkgeld mehr, sondern Arbeitsentgelt. Hierauf wären selbstredend auch Lohnnebenkosten abzuführen.
Der Vorwurf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt ist in § 266a StGB wie folgt geregelt:
„§ 266a StGB – Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber
1. der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2. die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.
(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.
(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3. fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4. als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.
(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.
(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich
1. die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2. darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.“
Trotz mehrerer Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen im Rahmen eines mehrere Jahre dauernden Ermittlungsverfahrens konnte die Anklagebehörde den erhobenen Vorwurf wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt letztlich nicht beweisen.
Wichtig ist: wenn der Vorwurf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gegen Sie erhoben wird, dann sollten Sie frühestmöglich einen erfahrenen Rechtsanwalt kontaktieren. In aller Regel erhält ein Betroffener erst mit der Hausdurchsuchung durch Staatsanwaltschaft, Polizei oder Zoll Kenntnis vom Vorwurf gegen ihn. Kontaktieren Sie am besten schon bei der Hausdurchsuchung einen Rechtsanwalt und lassen Sie sich beraten.
Über unsere Bürogemeinschaft mit der Steuerkanzlei Volker Pösselt verfügen wir nicht nur über die für die Bearbeitung des Mandats erforderlichen Kenntnisse, sondern bringen auch steuerliches und betriebswirtschaftliches Know-How mit.
Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt – ein vielfältiger Straftatbestand
Wenn Sie Fragen zu dem Thema Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt haben, können Sie uns jederzeit telefonisch, per E-Mail oder Kontaktformular kontaktieren. Die Rechtsanwälte Dr. Marc Sturm und Christian Geßler von der Anwaltskanzlei Dr. Sturm & Partner in Aichach helfen Ihnen gerne weiter.
Weitere aktuelle Artikel finden Sie hier:
Fahren ohne Fahrerlaubnis – kein Kavaliersdelikt
„Beschaffungskriminalität“ – Diebstahl und Drogen
Rechtsanwalt Aichach