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Schwerbehinderten mit Vorsicht kündigen

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Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist in Kraft.

Das Kündigungsrecht bei Schwerbehinderten ändert sich durch die Einführung des neuen Bundesteilhabegesetzes.

 

Vorsicht bei der Kündigung von Schwerbehinderten!

Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz (BTHG) sind weitreichende Änderungen des SGB IX verbunden, darunter auch eine wichtige Neuregelung zum Kündigungsrecht, die bereits in Kraft ist.

1. Gegenstand der Neuregelung

Für die Fachwelt vollkommen überraschend[1] wurde im Rahmen der Neuregelung des SGB IX durch das BTHG ein neuer Satz 3 in § 95 Abs. 2 SGB IX eingefügt der wie folgt lautet:

Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam.

Nicht nur der Umstand, dass diese Neuregelung im gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht vorgesehen war und erst in der Sitzung des Bundestagsausschusses noch eingefügt wurde[2], sondern vor allem das Inkrafttreten ist geradezu „überfallartig“: Treten die Mehrzahl der Änderungen des SGB IX durch das BTHG erst am 1.1.2018 in Kraft[3], ist diese Änderung bereits seit dem 30.12.2016 Recht und Gesetz[4].

Der Arbeitgeber hatte zwar schon bislang die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 3 S. 1 SGB IX in allen Angelegenheiten zu unterrichten, die den schwerbehinderten Menschen betroffen haben, nun ist eine Kündigung aber ausdrücklich unwirksam, wenn diese Unterrichtung nicht stattgefunden hat. Das war bislang nicht so.

Wichtig!
Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist nach § 95 Abs. 1 S. 3 SGB IX i.V.m. § 134 BGB unwirksam, wenn die Schwerbehindertenvertretung nicht im Vorhinein unterrichtet worden ist!

Das bedeutet auch, dass diese Unwirksamkeit bereits geltend gemacht werden kann, wenn z.B. das Kündigungsschutzgesetz noch gar nicht gilt (Wartefrist des § 1 Abs. 1 KSchG 6 Monate) oder auch das SGB IX noch nicht schützt (Wartezeit des § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX 6 Monate).

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Was Sie bei dem Vorhaben einen Schwerbehinderten zu kündigen beachten müssen, erfahren Sie bei Ihren Rechtsanwälten Aichach.
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2. Wann beginnt die Unterrichtungspflicht?

Wie alle mit „heißer Nadel gestrickte Gesetze“ hat auch dieser Einschub das Potenzial, mannigfaltige Streitigkeiten vom Zaun zu brechen.

Nicht geregelt ist z.B., ab wann die Unterrichtungspflicht beginnt, wann also der Arbeitgeber davon auszugehen hat, es mit einem schwerbehinderten Menschen zu tun zu haben, der den besonderen Schutz des SGB IX für sich in Anspruch nehmen kann. Hier ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung des BAG zu übertragen ist, nach der ein Schutz des schwerbehinderten Menschen nicht erfolgt, wenn

  • der Umstand dem Arbeitgeber nicht bekannt war,
  • dieser nicht offensichtlich war oder aber
  • der Gekündigte nicht innerhalb von drei Wochen nach Ausspruch der Kündigung die Schwerbehinderung mitteilt[5].

Wichtig!

Nach der Rechtsprechung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Ablauf der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses nach dem Bestehen einer Schwerbehinderteneigenschaft befragen. Wird diese von ihm wahrheitswidrig verneint, kann sich der Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess nicht mehr auf den Schutz des SGB IX berufen[6], entsprechend auch nicht auf den Schutz des § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX[7].

Legt der Arbeitnehmer später eine Bescheinigung über die Schwerbehinderteneigenschaft beim Arbeitgeber vor, so ist wieder ein Schutz nach dem SGB IX gegeben.

3. Umfang der Unterrichtungspflicht

Der Arbeitgeber muss die Schwerbehindertenvertretung über die anstehende Kündigung unterrichten und ihr die Gelegenheit geben, eine Stellungnahme abzugeben[8]. „Beteiligung“ i.S.d. § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX ist damit keine Mitbestimmung im engeren Sinne, sondern es handelt sich eher um eine „Anhörung“ i.S.d. § 102 Abs. 1 BetrVG.

Danach ist die Schwerbehindertenvertretung so umfassend zu informieren, dass sich diese ohne weitere Nachforschungen ein eigenes Bild von der Kündigung machen kann.

Wichtig!

Es empfiehlt sich die Unterrichtung so anzulegen wie eine Anhörung nach § 102 BetrVG, um ggfs. in einem späteren Kündigungsschutzprozess Auseinandersetzungen über den erforderlichen Umfang der Unterrichtung zu verhindern, auch wenn § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX das nicht ausdrücklich fordert[9].

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Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist in Kraft. Alle weiteren wichtigen Informationen hierzu erhalten Sie bei Ihrem Anwalt Aichach.
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4. Frist zur Stellungnahme

Das Gesetz selbst sieht keine Frist vor, innerhalb derer die Schwerbehindertenvertretung eine Stellungnahme abzugeben hat. Hier ist – da es sich um eine planwidrige Regelungslücke handelt[10] – § 102 Abs. BetrVG analog anzuwenden (eine Woche bei einer ordentlichen Kündigung bzw. unverzüglich bis drei Tage bei einer außerordentlichen Kündigung).

Man könnte auch § 95 Abs. 2 S. 2 SGB IX anwenden, was hinsichtlich des gesetzlichen Zusammenhangs naheliegender wäre; dann beträgt die Frist 7 Tage.

5. Die richtige Reihenfolge – Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat, Integrationsamt?

Die Kündigung des schwerbehinderten Menschen bedarf der Beteiligung des Integrationsamtes nach §§ 85 ff. SGB IX. Da das Integrationsamt einen umfassenden Prüfungsauftrag zum Schutz des Arbeitnehmers hat, muss es auch die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX einsehen können. Diese ist also vorher einzuholen. Dem Integrationsamt ist dagegen eine Stellungnahme des Betriebsrats bzw. dessen ordnungsgemäße Beteiligung nicht nachzuweisen.

Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung können parallel oder auch nacheinander angehört bzw. beteiligt werden, weil der Betriebsrat auch noch nach der Genehmigung durch das Integrationsamt wirksam beteiligt werden kann[11].

Tipp

Da der Betriebsrat i.d.R. das Vorliegen der aus seiner Sicht erforderlichen arbeitsrechtlichen Schritte für eine Kündigung überprüft (überprüfen sollte), empfiehlt es sich, die Beteiligung nach § 95 Abs. 2 S 3 SGB IX vorzuziehen.

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Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz (BTHG) sind weitreichende Änderungen des SGB IX verbunden, darunter auch eine wichtige Neuregelung zum Kündigungsrecht, die bereits in Kraft ist. Informieren Sie sich gerne bei Ihrem Rechtsanwalt Aichach darüber.
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6. Ordnungswidrigkeit

Die Nichtbeachtung der Beteiligungsverpflichtung nach § 95 Abs. 2 S. 3 SGB IX ist zudem eine Ordnungswidrigkeit nach § 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX.

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Erstellt von: Rechtsanwalt Marc Sturm, Kanzlei Sturm, Dr. Körner & Partner – Ihre Anwaltskanzlei Aichach, in Zusammenarbeit mit Rechtsanwalt Joachim Schwede (Aichach)

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[1] s. z.B. auch Bayreuther, NZA 2017, 87

[2] BT-Ds. 18/10523

[3] Art. 26 BTHG

[4] Art. 2 i.V.m. Art. 26 Abs. 2 BTHG

[5] BAG, NJW 1996, 2052

[6] BAG, NZA 2012, 555

[7] so auch Bayreuther, a.a.O. S. 89

[8] BeckOK Sozialrecht/Gutzeit, § 95 SGB IX, Rn. 5

[9] so auch Bayreuther, a.a.O.

[10] so auch Bayreuther, a.a.O.

[11] z.B. BAG, NJW 1981, 2772

 

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