Ein Spagat zwischen Datenschutz und Transparenz
Speichern der „Restschuldbefreiung“ nach einer Verbraucherinsolvenz durch Auskunfteien rechtswidrig?
Das Speichern der „Restschuldbefreiung“ nach einer Verbraucherinsolvenz durch Auskunfteien ist rechtswidrig?
SCHUFA-Eintragungen zu „Restschuldbefreiungen“ nach einer Verbraucherinsolvenz verstoßen gegen europarechtliche und datenschutzrechtliche Grundsätze. Dies lässt sich jedenfalls sehr gut vertreten, obwohl es anderweitige Rechtsprechung gibt.
Im Jahr 2014 wurden über 115.000 Verbraucherinsolvenzverfahren in Deutschland abgeschlossen, doch anstatt den Altschuldnern einen völligen Neustart zu ermöglichen, wird das Negativmerkmal der „Restschuldbefreiung“ durch Auskunfteien zumeist gespeichert. Begründet wird dies von SCHUFA Holding AG, Bürger, Creditreform Boniversum, Deltavista und Infoscore Consumer Data damit, dass auch nach dem Durchlaufen der Privatinsolvenz eine gewisse Gefahr der Wiederholung besteht, vor der künftige Gläubiger geschützt werden müssten. Dieses Vorgehen erscheint gerade unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten fragwürdig.
Auskunfteien — unabhängige Datenbanken für Bonitätsnachweise.
Der SCHUFA-Nachweis wird immer häufiger bei Rechtsgeschäften verlangt, bei denen der Gläubiger sich der Bonität des Vertragspartners vergewissern möchte. Neben dem Marktführer SCHUFA gibt es noch vier weitere große Auskunfteien, die sich auf das Erheben und Verarbeiten personenbezogener Finanzdaten spezialisiert haben. Dazu gehören: Bürger, Creditreform Boniversum, Deltavista und Infoscore Consumer Data.
Einen einheitlichen internationalen Auskunfteienbegriff lässt sich dabei nicht finden – zu unterschiedlich sind die Rechtsordnungen der einzelnen Länder. Jedoch lässt sich allgemein sagen, dass Auskunfteien unabhängige Organisationen sind, die dem privaten Sektor angehören, eine Vielzahl von Finanzdaten über Einzelpersonen sammeln und Einschätzungen über die Kreditwürdigkeit treffen (vgl. F. Ferretti, The Law and Consumer Credit Information in the European Community, 2008, S.9).
Verbraucherinsolvenz als Weg in die Schuldenfreiheit für natürliche Personen.
Seit 1999 offeriert die Insolvenzordnung für natürliche Personen die Möglichkeit – durch ein Insolvenzverfahren – eine private Überschuldung abzubauen. Dieses Verfahren ist an strikte Reglementierungen gebunden und setzt den ernsthaften Versuch des Schuldners voraus, dass dieser alles ihm mögliche unternommen hat, seine Gläubiger zu bedienen. Scheitert dieser Versuch, kann der Schuldner beim zuständigen Insolvenzgericht die Verbraucherinsolvenz beantragen. In den meisten Fällen schließt sich hieran ein vereinfachtes Insolvenzverfahren an, welches final mit der Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren beendet wird. Am Ende dieses Verfahrens kann die Restschuldbefreiung stehen, welche im öffentlich-rechtlichen Internetforum www.insolvenzbekanntmachungen.de für mehrere Monate zusammen mit personenbezogenen Daten bekannt gemacht wird.
Speicherung der Restschuldbefreiung durch die Auskunfteien.
Anders als die breite Öffentlichkeit, die die Restschuldbefreiung durch die öffentlich-rechtliche Bekanntmachung (www.insolvenzbekanntmachungen.de) zumeist völlig übersieht, verarbeiten die Auskunfteien die empfindlichen persönlichen Daten und speichern diese in ihren Datenbanken. Dadurch werden Altschuldner unabhängig von ihrer gegenwärtigen Kreditwürdigkeit „gebrandmarkt“. Die wohl herrschende Meinung in der Literatur sieht hierin ein Verstoß gegen den bestehenden Datenschutz und das geltende europäische Recht (Gärtner/ Tintemann in VuR 2012, S. 54ff.). So dürfe der ehemalige private Insolvenzschuldner nicht pauschal als kreditunwürdig eingestuft werden. Vielmehr müsse im Einzelfall einerseits das schutzwürdige Interesse des Vertragspartners und dem des Altschuldners abgewogen werden – zumal die Kreditunwürdigkeit nicht grundsätzlich anhand eines vergangenen Verhaltens, sondern durch gegenwärtige objektive Belege nachzuweisen sei („Richtigkeitsvoraussetzung“ des Art. 6 der EU-Datenschutzrichtlinie).
Es ist somit äußerst ratsam für einstige Altschuldner nach einer Privatinsolvenz etwaige Nachweise von den großen deutschen Auskunfteien einzuholen und diese auf mögliche Speicherungen der Restschuldbefreiung zu prüfen.
Die Rechtsprechung sieht das teilweise anders.
Das AG Wiesbaden, das Gericht am Sitz der Schufa, hat mit Beschluss vom 13. Januar 2011, Az. 93 C 107/11, die gegenteilige Meinung vertreten. Weitere Rechtsprechung zu diesem Thema ist nicht bekannt. Es darf also mit Spannung einer obergerichtlichen Entscheidung zu dieser Frage entgegengesehen werden.
Erstellt von: Rechtsanwalt Marc Sturm, Kanzlei Sturm, Dr. Körner & Partner – Ihre Anwaltskanzlei Aichach, in Zusammenarbeit mit stud. iur. Kevin Joder (Uni Konstanz)
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